Karl und die angeblich verunglückte Selbstanzeige
Karl will sein Vermögen in der Schweiz wieder in Deutschland verwenden können. Die Presseberichte machen ihn zudem nervös. Er hat Angst vor einer Tatentdeckung. Karl hat Angst vor einer Strafe, kann schon nachts nicht mehr richtig schlafen, ist tagsüber unausgeschlafen, matt, gereizt, unleidlich. Er geht deshalbschließlich nach mehreren Gesprächen mit seiner Frau und seinen beiden mittlerweile erwachsenen 21 und 23 Jahre alten Kindern in 2011 zu seinem Steuerberater und bittet ihm zu helfen. Dieser empfiehlt sofort eine Selbstanzeige. In dieser Selbstanzeige sollen die Kapitalerträge aus dem Depot bei der UBS AG in Zürich nacherklärt werden. Der Steuerberater lässt die Unterlagen durch Karl bei der UBS AG in der Schweiz anfordern. Als die Unterlagen 2 Monate später bei Karl ankommen, bringt Karl die Unterlagen auftragsgemäß zu seinem Steuerberater, der sie in den nächsten 4 Wochen auswertet. Dann gibt der Steuerberater die Selbstanzeige beim zuständigen Finanzamt für Karl ab. Es kommt einige Tage später mit einer Postzustellungsurkunde in einem gelben Couvert die Bekanntgabe der Einleitung eines Strafverfahrens. Karl ist entsetzt. Das wollte er nicht. Deswegen hat er doch die Selbstanzeige gemacht. Sein Steuerberater erklärt ihm, dass er beim Finanzamt deswegen schon angerufen habe und der Sachbearbeiter ihm erklärt habe, dass sie das immer so machen. Erst wenn geklärt ist, dass die Selbstanzeige vollständig ist und keine Bedenken gegen die Wirksamkeit bestünden und die Steuerschulden vollständig bezahlt sind, dann wird das Strafverfahren wieder eingestellt – ohne Sanktionen, nach § 170 Abs. 2 StPO. Etwa fünf Wochen später kommen elf geänderte Einkommensteuerbescheide: die korrigierten, nacherklärten Jahre werden entsprechend heraufgesetzt unter Einarbeitung der nacherklärten Beträge. Fälligkeit der Steuern in einem Monat. Der Steuerberater prüft die Bescheide und erklärt Karl, dass diese alle richtig seien, so dass nichts zu veranlassen sei. Auch die Zinsen seien richtig berechnet. In einem Bescheid seien sogar 89 Euro zu wenig festgesetzt worden, was auf einen Eingabe- oder Rechenfehler hindeute. Aber da müsse er nichts machen und nicht eine Änderung zu Lasten von Karl beantragen. Einsprüche müsste er bei dieser Sachlage nicht einlegen. Weiter erklärt er Karl, dass das Steuerstrafverfahren nach der Zahlung dann eingestellt werde. Karl zahlt daraufhin rasch die Steuern. Zu der Überraschung von Karl und seinem Steuerberater stellt die StraBu, das ist die Strafsachen und Bußgeldstelle (in den südlicheren Bundesländern heißt sie BuStra: Bußgeld-und Strafsachenstelle), das Verfahren nicht ein, sondern schreibt, dass die Selbstanzeige nicht strafbefreiend wirke, weil die Tat bereits entdeckt war und das der Steuerpflichtige wusste oder jedenfalls hätte wissen können, § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO. Der Steuerberater bestreitet dies und schreibt für Karl an die StraBu zurück, dass Karl natürlich nichts von einer Entdeckung wusste und er auch gar nichts wissen konnte. Die StraBu behauptet, dass das den CD-Fall ermittelnde FA M. Karl bereits auf der CD entdeckt hatte und eine Kontrollmitteilung an das Wohnsitzfinanzamt von Karl, das FA in L geschickt hatte. Von der Kontrollmitteilung habe zwar Karl nichts gewusst. Darauf komme es nicht an. Karl habe über die Presse von dem CD-Ankauf und der Auswertung durch das FA in L gewusst oder, falls er das in der Presse nicht gelesen habe, so habe er es aus Rundfunk und Fernsehen gehört oder gesehen und falls dies auch nicht der Fall gewesen sein wäre, hätte er es jedenfalls aus Presse und Rundfunkt entnehmen können. Es kommt zu einem Gespräch an Amtsstelle. Hierbei kann der Steuerberater aber die Sachbearbeiterin bei der StraBu und deren Sachgebietsleiter nicht überzeugen. Diese bestehen auf die Sperrwirkung durch die vorherige Entdeckung und das Wissen oder Wissenkönnen und beantragen einen Strafbefehl gegen Karl in Höhe von 680 Tagessätzen, den Tagessatz zu 220 Euro, mithin einer Geldstrafe zu 14.960 € zuzüglich der Strafbefehlskosten von 365 € plus 24 € Zustellungsgebühren. Karl ist entsetzt. Sein Steuerberater auch. Er liest, dass binnen zwei Wochen Einspruch gegen den Strafbefehl einlegen könne, sonst stünde der Strafbefehl einem rechtskräftigen Urteil gleich. Also legte sein Steuerberater fristgemäß Einspruch ein und empfahl, einen Anwalt einzuschalten. Karl beauftragte einen Anwalt, einen Strafverteidiger, aus der Nähe von L, den er von einem Verkehrsverstoß kannte und der ihn damals erfolgreich verteidigt hatte. Dieser übernahm das Verfahren. Der Anwalt bestellte sich unter Vollmachtsvorlage als Karls Verteidiger, trug aber im Vorfeld schriftlich nichts vor, weil man das in Strafsachen so nicht mache und zudem die Sache klar war: mindestens das subjektive Element des Wissens bzw. Wissenkönnens fehlte nach seiner Auffassung, so dass keine Sperrwirkung vorlag und die Selbstanzeige damit wirksam war. Es kam zu der Terminierung. Montagmorgen. 8:30. AG L. Einzelrichter….
Nach Feststellung der Personalien, nach Verlesung des Strafbefehls und der Belehrung, dass Karl nichts sagen müsse, erwiderte Karl nur, dass er lediglich sagen könne, dass ihm von seinem Steuerberater und seinem Anwalt gesagt worden sei, dass die Selbstanzeige wirksam sei, da er von einer Entdeckung natürlich nichts wusste und auch nichts wissen konnte.
Der Einzelrichter meinte, dass eine strafbefreiende Selbstanzeige nicht mehr möglich ist, wenn Presseberichte über den Ankauf einer CD und die begonnene Auswertung veröffentlicht werden. Die Presseberichte habe Karl gehört bzw. gelesen. Damit habe er von der Auswertung der CD beim FA M gewusst. Damit, dass er auf der CD war habe er rechnen können und dass er dann, wenn er drauf war, auch alsbald entdeckt werden würde oder schon entdeckt sein könnte, war ihm bekannt oder hätte ihm zumindest bekannt sein können oder müssen. Dies lange für den Sperrwirkungstatbestand. Dem stimmte der Staatsanwalt zu. Auch die StraBu, die gehört werden musste, bekräftigte diese Auffassung. Der Richter verlas die Kontrollmitteilung des FA M und den internen Einleitungsvermerk bei der StraBu des FA in L. Er meinte, dass er damit die Beweisaufnahme schließen könne. Es war klar, dass er verurteilen würde. Die Staatsanwaltschaft plädieret zuerst und beantragte, den Strafbefehl von 680 auf 720 Tagessätze und auf 250 € Tagessatz zu erhöhen, da Karl die Selbstanzeige so lange herausgezögert hatte, wie es nur ging und er erst aufgrund der vielen Presseartikel sich aus Angst vor Strafe zur Selbstanzeige entschlossen hatte, aber eben zu spät und der Tagessatz zu erhöhen sei, weil er zum jetzigen Zeitpunkt einen höheren Gewinn erziele, wie aus den monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen zu entnehmen sei und es au f den Zeitpunkt der Bestrafung ankomme. Anschließend plädierte der Verteidiger – mit diametral entgegengesetzten Ergebnissen: die Staatsanwaltschaft bejahte die Sperrwirkung wegen des Kennens oder Kennenmüssens, während die Verteidigung noch einmal unterstrich, dass Karl weder eine Kenntnis von der Kontrollmitteilung, noch der Auswertung, noch des internen Einleitungsvermerks, ja nicht einmal die Kenntnis von dem Umstand bei Karl vorlag, dass er auf den Daten der CD der UBS überhaupt drauf war und verwies darauf, dass in keiner Pressemitteilung Karl als auf der CD befindlich genannt wurde und nie behauptet wurde, dass auf der CD alle Kunden der UBS wären. Karl erhielt als Angeklagter das letzte Wort: er berief sich darauf, dass ihm nicht bekannt war, dass gegen ihn ermittelt wurde und er nichts von der internen Einleitung beim Finanzamt M wusste und daher um Freispruch bitte.
Das Gericht zog sich nicht einmal zur Beratung zurück – der Einzelrichter blieb auf seinem Stuhl sitzen, schrieb eine zeitlang handschriftlich vieles auf,… Karl wusste nicht warum und was … merkte aber dann gleich, was der Richter geschrieben hatte: den Tenor seines Urteils. Der Richter nickte dann kurz, als er fertig war mit schreiben, alle erhoben sich, Karl machte es ihnen nach. Der Richter verkündete dann das Urteil im Namen des Volkes und verurteilte Karl zu 720 Tagessätzen a`250 Euro und zur Kostentragung des Verfahrens. Das ganze Verfahren dauerte nur knapp eine Stunde. Dann kam da noch eine Belehrung, die Karl nur schemenhaft wahrnahm. So schnell geht das also mit einer Verurteilung wunderte er sich, schaute seinen Anwalt an, der ihm bedeutete, jetzt nichts zu sagen und ihm leise zuraunte: nicht jetzt, wir besprechen das gleich draußen … und dann nach einer kurzen Urteilsbegründung mit seinem Anwalt den Sitzungssaal verließ. Karl schien es, als lächele der Vertreter der StraBu triumphierend ihn an … zum Richter sagte Karl im Hinausgehen höflich „Auf Wiedersehen“ während der Richter zu ihm sagte: „besser nicht – zumindest nicht hier in dieser Funktion“. Karl war perplex. Sein Anwalt zog ihn am Ärmel zur Tür. „Nichts sagen, nur raus hier“ sagte er leise zu ihm, während der nächste Angeklagte mit seinem Anwalt zur weit geöffneten Tür hereinkam. Auch ein Steuerstrafverfahren. Heute, Montag, waren hier nur Steuerstrafverfahren terminiert, wie aus dem Aushang neben der Tür zum Gerichtssaal zu erkennen war ….
Der Verteidiger erklärte Karl dann auf dem Gerichtsflur, dass diese Rechtsauffassung des Richters mit der Gesetzeslage nicht vereinbar ist. Eine Selbstanzeige ist nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO nur ausgeschlossen, wenn „eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste.“ Wie bei einem Ankauf einer CD überhaupt auf eine Entdeckung der Tat geschlossen werden kann, ist schon nicht klar, so der Anwalt. Denn wenn nicht alle Kunden auf der CD erfasst sind, warum sollte also die Tat eines Steuerpflichtigen entdeckt sein, auch wenn er bei der Bank ein Konto hat, von der die Daten entwendet wurden. Weiter ist bei den Presseberichten nicht klar übermittelt worden, dass alle Kunden dieser Bank klar identifiziert werden können und auch deren Erträge. Weiter ist in den Presseberichten unklar, welche genauen Informationen auf der CD enthalten sind: nur ein Kontobestand zu einem oder mehreren Stichtagen? Erträge für welche Zeiträume? Daten für welche Zeiträume? Klarheit und Unverwechselbarkeit der Personenidentifizierenden Daten? Und vor allem: die Daten des betreffenden Steuerpflichtigen? Solange also in den Presseberichten nicht klar ist, dass wirklich alle Kunden oder der betreffende Steuerpflichtige auf der CD ist, woher soll er mit seiner Tatentdeckung rechnen? Und wenn er sein Konto zwischenzeitlich schloss und nicht mitgeteilt ist, welche Stichtage oder Zeiträume auf der CD betreffend aller Kunden dieser Bank oder des betreffenden Kunden enthalten sind, wie kann er nur mit seiner Tatendeckung rechnen oder rechnen müssen? Der Anwalt war sauer bis entsetzt und sagte, dass er die Berufung empfehle, aber das würden sie in den nächsten Tagen noch mal in Ruhe besprechen. Karl solle sich einen Termin bei ihm geben lassen. Eine Woche hätten sie nun Zeit, eine Berufung gegen das Urteil des AG einzulegen.
Karl war völlig niedergeschlagen. Er hatte doch die Selbstanzeige gemacht, um straffrei zu werden. Genau das hatte ihm auch sein Steuerberater versprochen, würde geschehen … und nun das … und sein Anwalt hatte auch gesagt, das könne nur ein Freispruch werden … und nun war es nicht besser, sondern sogar schlechter geworden. Und die Anwaltskosten musste er auch zahlen. Dabei hatte er schon einen Vorschuss von 3.000 € an den Anwalt bezahlt … ob das langte oder er noch was dazuzahlen musste …? Und die Geldstrafe war jetzt auf 18.000 € gestiegen … zuzüglich der Verfahrenskosten… er wollte nicht weitermachen. Bevor es noch teurer wurde.
Drei Tage später saß Karl bei seinem Verteidiger im Büro. Donnerstagnachmittag. 15 Uhr. Besprechung des Erlebten. Der Anwalt schilderte, dass das AG, genauer der Amtsrichter zwar in seiner Urteilsbegründung reflektierte, dass eine Selbstanzeige unter anderem dann keine strafbefreiende Wirkung zukomme, wenn eine der Steuerstraftaten zum Zeitpunkt der Selbstanzeige bereits ganz oder zum Teil entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste. Insoweit hatte er zutreffend ausgeführt, dass der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO eine objektive Komponente – die Tatentdeckung – und eine subjektive Komponente – die Kenntnis davon beziehungsweise das damit-Rechnen-müssen habe.
Der Richter habe erklärt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Tatentdeckung bereits schon dann vorliege, wenn bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit eines Hinterziehungstatbestands gegeben ist. „Die Anforderungen an diese Wahrscheinlichkeitsprognose dürfen schon deshalb nicht zu hoch angesetzt werden, weil sie auf einer (noch) schmalen Tatsachenbasis erfolgen müsse“ (BGH, Beschluss vom 20.05.2010 – 1 StR 577/09 – NJW 2010, 2146, Rdnr. 24). Ein hinreichender Tatverdacht sei ausdrücklich ebenso wenig erforderlich, wie eine genaue Bezifferung eines Hinterziehungsschadens (BGH, Beschluss vom 20.05.2010 – 1 StR 577/09 – NJW 2010, 2146, Rdnr. 25-26), habe der Richter sein Urteil begründet.
Danach waren die Taten vorliegend entdeckt im Sinne des §371 Abs. 2 Nr. 2 AO: Das Finanzamt M. hatte die auf der erworbenen CD enthaltenen Daten über den Angeklagten bereits mit seinen Einkommensteuererklärungen abgeglichen und aufgrund der Abweichungen ein Steuerstrafverfahren intern eingeleitet, als die Selbstanzeige des Angeklagten beim Finanzamt … einging. Diese Einleitung sei durch Verlesung ordnungsgemäß ins Verfahren eingeführt worden.
Der Richter habe zugunsten des Steuerpflichtige angenommen, dass er nicht wusste, dass er auf der CD war und auch nicht, dass das Finanzamt konkret seinen Datensatz ausgewertet hatte. Darüber war auch natürlich nicht in der Presse berichtet worden. Es hätte aber auch sein können, dass Karl von seinem Banker einen Tipp erhalten habe. Insoweit sei aus anderen Verfahren gerichtsbekannt, dass zumindest einige der Kunden einen Tipp ihrer Schweizer Anlageberater erhalten hätten, dass sie auf der CD drauf seien, bzw. dringend eine Selbstanzeige machen müssten. Ob das bei Karl auch so gewesen sei, war nicht vom FA behauptet worden und auch nicht ins Verfahren eingeführt worden und auch keine diesbezüglichen Beweisanträge seitens der Staatsanwaltschaft gestellt worden, so dass er dies zugunsten von Karl als nicht gegeben ansah.
Der Amtsrichter am AG L meinte dann aber weiter, dass die Tat aber nicht nur objektiv entdeckt gewesen sei, der Angeklagte vielmehr auch im Sinne von § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO mit der Tatentdeckung rechnen musste. Dabei genüge es nach dem Wortlaut des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO zunächst, dass es zur Versagung der Strafbefreiung für alle unverjährten Steuerstraftaten bereits ausreiche, dass eine von ihnen im Zeitpunkt der Selbstanzeige auch nur zum Teil entdeckt war (so auch Beyer, NWB 43/2012, 3445, 3446). Subjektiv sei nicht erforderlich, dass der Täter mit der Entdeckung dieses Teils dieser Tat rechnen musste; es genüge vielmehr, wenn der Angeklagte mit der Entdeckung eines beliebigen Teils einer beliebigen seiner Taten rechnen musste. Denn nach dem Wortlaut des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO muss der Täter lediglich wissen oder damit rechnen müssen, dass eine Tat wenigstens zum Teil entdeckt ist, nicht aber, welcher Teil welcher Tat. Auch wenn Karl nicht wisse, welche Zeiträume nun auf der CD waren, musste ihm klar sein, dass zumindest einige Veranlagungszeiträume von ihm auf der CD waren, so dass zumindest ein Teil der Taten entdeckt waren. Da aber der Umstand, dass Karl Geld in der Schweiz auf einem Bankkonto hatte, mit dem typischerweise Erträge erwirtschaftet wurden, musste ihm klar sein, dass das FA, wenn es ein Jahr habe, auch die anderen Jahre ermitteln würde bzw. könne. Letztlich genüge es für ihn, den Amtsrichter, wenn mindestens ein von mehreren Jahren entdeckt war und Karl damit rechnen musste. Davon sei aber nach den vielfältigen Presseberichten auszugehen gewesen. Damit sei der Sperrwirkungstatbestand gegeben, so dass die Selbstanzeige von Anfang an unwirksam gewesen. Der Richter wies weiter in seiner Begründung darauf hin, dass schon in der Begründung des ursprünglichen Gesetzentwurfs ausgeführt wurde, dass mit der Verschärfung des § 371 AO verhindert werden sollte, „dass die Selbstanzeige von Steuerhinterziehern im Rahmen einer ‚Hinterziehungsstrategie‘ missbraucht werde“ (BT-Drucksache 17/4182, Seite 1). Ein „bloßes Taktieren und ‚Reue‘ nach dem Stand der Ermittlungen“ sollte ausdrücklich nicht mehr mit Strafbefreiung belohnt werden (BT-Drucksache 17/4182, Seite 4). Honoriert werden solle vielmehr nur noch die echt freiwillige und vollständige Rückkehr in die Steuerehrlichkeit. Dabei ging es dem Gesetzentwurf ausdrücklich auch darum zu vermeiden, dass durch – infolge öffentlicher Berichterstattung über Ankäufe von „Steuer-CDs“ durch die Finanzbehörden erkennbar nur in Bezug auf die jeweils genannten Herkunftsländer und -banken abgegebene – Teilselbstanzeigen Strafbefreiung erreicht werden kann, während die Steuerpflichtigen zusätzliche Steuerquellen weiter verborgen halten (BT-Drucksache 17/4182, Seite 1), deren Aufdeckung aktuell nicht befürchtet wird.
Soweit sein Steuerberater ihm dann unzutreffend die Strafbefreiende Wirkung versprochen oder in Aussicht gestellt habe, so sei dies für die Erstattung der Selbstanzeige vielleicht kausal für Karl gewesen. Dies führe aber nicht zu einem beachtlichen Irrtum und auch nicht zu einer Strafmilderung, da dies ein unbeachtlicher Rechtsfolgenirrtum hinsichtlich des im Ergebnis nicht fehlenden Sperrwirkungstatbestandes sei. Dies schließe aber die Strafbarkeit der Steuerhinterziehung nach § 370 AO nicht aus. Ob Karl dann gegen seinen Berater wegen Falschberatung einen Schadenersatzanspruch habe, habe er als Strafrichter nicht zu entscheiden und auch nicht in seinem Strafmaß zu berücksichtigen. Demgemäß war Karl, wie geschehen zu verurteilen, so die Kurzbegründung des Richters. Das AG Kiel habe in einem ähnlichen Fall (AG Kiel, Urteil vom 27. November 2014 – 48 Ls 1/14, 48 Ls 545 Js 46477/13 (1/14) –) auch so entschieden.
Woher aber nun der Steuerpflichtige wissen soll, dass ein Teil seiner Tat entdeckt ist, erschloss sich für Karl und seinen Anwalt immer noch nicht. Eine bloß theoretische Möglichkeit einer Entdeckung sei doch kein damit rechnen müssen im Sinn des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO. Karls Anwalt konnte ihm aber auch nicht sagen, ob die kleine Strafkammer beim Berufungsgericht, dem Landgericht, dies anders sehen würde und das Urteil aufheben würde oder wenigstens das Strafmaß reduzieren würde. Denn zumindest habe sich Karl je freiwillig gestellt, die versuchte, wenn auch unwirksame Selbstanzeige eingereicht, was zumindest zu einer erheblichen Strafmilderung hilfsweise führen müsse, wobei sein Verteidiger eigentlich meinte, Karl müsse freigesprochen werden … aber garantieren konnte er es Karl natürlich auch nicht. Karl verabschiedete sich vollends frustriert. Was sollte er jetzt machen? Er verblieb mit seinem Anwalt so, sich morgen, am Freitag oder spätestens am Montag zu melden….
Karls Frau rief am Montag beim Anwalt ganz früh an. Ihr Mann hätte von Freitag auf Samstag wegen der Aufregungen wegen seiner Verurteilung nicht schlafen können. Er sei wie ein Tiger noch spät abends im Wohnzimmer herumgelaufen. Sie sei dann irgendwann schlafen gegangen. Am frühen Morgen habe sie entdeckt, dass er fast eine halbe Flasche Whisky getrunken hatte und Schlaftabletten genommen hatte. Die sofort herbeigerufenen Ärzte hätten ihm vorsorglich den Magen ausgepumpt, wobei noch nicht klar sei, ob er nur schlafen wollte oder sich das Leben nehmen wollte, jedenfalls hätten die Ärzte auch einen Herzinfarkt bei Karl diagnostiziert. Er liege immer noch auf der Intensivstation des Kreiskrankenhauses … was er jetzt hinsichtlich des Urteils machen sollte, wollte der Anwalt von ihr wissen…
Nachsatz: der Fall ist frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen, existierenden Behörden oder Gerichten, Richtern und Beamten wären rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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